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Bundesländer wollen Legehennen-Haltungsverordnung rückgängig machen

10.11.2003

 

Protestkampagne der Tierschutzverbände zur Abstimmung am 28. November
Christoph Fink

 

Nur zwei Jahre nach ihrem Erlaß soll die deutsche Legehennen-Haltungsverordnung nach dem Willen einiger Bundesländer wieder auf Bestimmungen zurückgenommen werden, welche die Länderkammer selbst seinerzeit unter dem Druck des Verfassungsgerichtsurteils abgelehnt hat.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 1999 die bis dahin gültige Haltungsverordnung u. a. mit dem Hinweis für nichtig erklärt, dass allein die darin vorgegebenen Mindestmaße für Käfige eine verhaltensgerechte Unterbringung der Tiere ausschlössen, wie sie § 2 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes fordere. Die Legehennen-Haltungsverordnung hat diese Bestimmung, unabhängig von der europäischen Vorgabe in Richtlinie 1999/74/EG, welche ihrerseits zumal nur Mindestanforderungen enthält, zu respektieren und zu berücksichtigen.

Schon in Anbetracht des durchschnittlichen Umfangs einer ausgewachsenen Henne von ca. 690 cm2 sei klar, so das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil 1999, dass eine Mindestfläche von 450 cm2 pro Henne, wie sie bis dahin in Deutschland galt, nicht ausreichen könne, um arteigene Bedürfnisse zu befriedigen. Dasselbe lässt sich zweifellos auch von sog. ausgestalteten Käfigen mit einer Fläche von 750 cm2 pro Huhn behaupten, wie sie seit Beginn des Streits um die neue Haltungsverordnung ins Spiel gebracht wurden und auch jetzt wieder von einigen Ländern vorgesehen werden. Bereits zum bloßen Umdrehen, so Tierschützer, benötige ein Huhn eine Fläche von mindestens 800 cm2; zum Flügelschlagen gar, wie Hühner es lieben, um 1400 cm2. Daß darüber hinaus auch Picken, Sandbaden und etwa das ungestörte Eierlegen in einem ausgestalteten Käfig der o. g. Größe eher Anspruch als Wirklichkeit darstellen, liegt auf der Hand.

Gleichwohl soll ein jüngst im Auftrag Niedersachsens und in Zusammenarbeit mit der deutschen Geflügelwirtschaft erstelltes Gutachten einmal mehr das schier Unmögliche beweisen, nämlich dass solche Käfige auch aus Tierschutzsicht alternativen Haltungsformen vorzuziehen seien. In der Freiland-, Boden- und Volierenhaltung komme es, verglichen mit der Käfighaltung, zu verstärktem Federpicken, Kannibalismus und zu erhöhter Keimbildung. Daß solche Mängel vor allem auf falschem Management beruhen, etwa weil zu große Herden gewählt werden, bleibt unerwähnt. Eine Machbarkeitsstudie der Universität Gesamthochschule Kassel-Witzenhausen hatte bereits im Jahre 2001 darauf hingewiesen und so nicht zuletzt die Bundesregierung zu ihrer fortschrittlichen Haltungsverordnung bewegt.

Davon unbeirrt fordert nun eine Anzahl von Bundesländern, ausgestaltete Käfige, entgegen der aktuellen Regelung, über 2011 hinaus unbefristet zuzulassen. Außerdem solle das Ende der konventionellen Käfige, die entsprechend der erwähnten EU-Richtlinie eine Mindestfläche von lediglich 550 cm2 pro Huhn haben müssen, um drei Jahre von Ende 2006 auf Ende 2009 hinausgeschoben werden. Beide Forderungen bleiben im Rahmen der Mindestvorgaben aus Brüssel, verstoßen jedoch eindeutig gegen das Urteil des obersten deutschen Gerichts.

Federführend für die neue Initiative sind neben den neuen Bundesländern vor allem Hessen und Niedersachsen, das Stammland der Intensivtierhaltung. Wie in Berlin hinter vorgehaltener Hand kolportiert wird, wollen diese Länder die ausstehende Stellungnahme des Bundesrates zum neuen Entwurf einer Schweinehaltungsverordnung nutzen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Sie wollen dem Entwurf nur in Kombination mit entsprechend geänderten Regelungen für die Legehennenhaltung zustimmen.

Offiziell freilich gebrauchen sie andere Begründungen. Abgesehen von dem erwähnten Tierschutzargument schaffe eine intensive, d. h. kostengünstige Eierproduktion Arbeitsplätze. Was auf den ersten Blick widersinnig erscheint, da gerade Rationalisierung von Arbeitskraft Käfigeier so billig macht, bekommt bei näherem Hinsehen einige Brisanz. Denn obwohl über 80 Prozent der deutschen Bevölkerung gegen die Käfighaltung von Legehennen votieren, leben noch immer mehr als 80 Prozent der Hennen in Deutschland in eben jenen abgelehnten konventionellen Käfigen. Zu erklären ist solcher Widerspruch, neben einer dem Durchschnittsverbraucher noch immer unverständlichen Eierkennzeichnung, der Möglichkeit, weiterhin mit irreführenden Bildern auf der Verpackung zu werben, schließlich einer korrespondierenden Trägheit des Handels, Käfigeier aus seinem Sortiment zu nehmen, vor allem durch den großen Prozentsatz sog. gewaschener, d. h. verarbeiteter Eier, die heute von Teigwaren bis zu Konserven in nahezu allen Lebensmitteln zu finden sind. Statt dem Vermarktungserfolg der konventionellen Eierindustrie nachzugeben, die auf diese Weise weiterhin - gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers - ihren Absatz findet, sollte die Politik jedoch nach Wegen suchen, solche Schlupflöcher, ganz gleich ob sie von in- oder ausländischen Produzenten genutzt werden, zu schließen.

Fast schon grotesk mutet es in diesem Zusammenhang an, wenn jüngst ausgerechnet ein Mega-Discounter wie ALDI Nord ankündigt, ab Mitte 2006 keine Eier aus Käfighaltung mehr anzubieten. Auch dies sollte der Politik von Bund und Ländern jedoch, statt sich zurückzulehnen, Signal sein, noch entschiedener den von ihr und dem Bundesverfassungsgericht verfolgten bzw. vorgezeichneten Weg einzuschlagen. Gewiesen wird er vor allem auch durch die mittlerweile gelungene Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz, an welcher die Bundesländer historisch gesehen keinen geringen Anteil haben. Nicht wenige der Länder, die heute für einen Rückschritt in Sachen Artgerechtigkeit in der Hennenhaltung votieren, hatten Tierschutz in ihren Verfassungen, bevor dieser auf Bundesebene realisiert werden konnte. -

Die erwähnten Vorschläge zur Änderung der Legehennen-Haltungsverordnung wurden im Anschluß an eine Ende September in Rostock abgehaltene Agrarminister-Konferenz am 10. November 2003 in den Agrarausschuß des Bundesrates eingebracht. Am 28. November soll im Bundesrat darüber abgestimmt werden.

PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V. und VIER PFOTEN e.V. haben daher unter www.hennen-in-not.de eine Seite geschaltet, über welche online Protestbriefe an die entsprechenden Länder gesendet werden können. Unterstützt werden sie von PeTA - People for the ethical treatment of animals (Deutschland) e.V. sowie von Prominenten wie dem jüdischen Publizisten Ralph Giordano oder dem österreichischen Künstler Peter Horton.

Auch der Deutsche Tierschutzbund hat unter www.tierschutzbund.de/AKTUELL/KAMPAGNE/Aktion_Hennen_Aktuell.HTM eine Seite eingerichtet, über die weitere Informationen bezogen und direkter Protest an die Adressen der federführenden Bundesländer gerichtet werden kann.

Der Politische Arbeitskreis für Tierrechte in Europa (PAKT) e.V. unterstützt jeden Protest gegen einen Rückschritt hinter die aktuelle deutsche Hennen-Haltungsverordnung und das mit ihr erreichte Tierschutzniveau.

 

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