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Brief des PAKT e.V. zur Praxis der Schächtgenehmigungen

08.08.2003

 

Folgenden Brief zur Anwendung des Karlsruher Urteils auf die Praxis der Schächtgenehmigungen hat PAKT Ende Juni 2002 an 65 Adressaten aus Politik und Verwaltung geschickt:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Recherchen von PAKT in Nordrhein-Westfalen haben ergeben, dass weder das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, noch die meisten Veterinärämter bisher in der Lage gewesen sind, im Rahmen des Urteils des BVerfGer im Sinne des Tierschutzes tätig zu werden. Der übereilte und unheilvolle, das Urteil nicht ausschöpfende, ja fehlinterpretierende Erlass des Ministeriums vom 14.02.2002 hat dazu geführt, einerseits zahlreiche moslemische Bürger glauben zu machen, dass jetzt ohne weiteres betäubungslos geschächtet werden dürfe, andererseits die Veterinärämter zu verunsichern und - ohne Not - eine nicht nur lasche, sondern rechtswidrige Genehmigungspraxis zugunsten betäubungslosen Schächtens zu üben. Lediglich aufgrund der - entgegen dem Urteil - allgemeinen Angabe, der Antragsteller sei Moslem, wurden Genehmigungen in einem Umfang erteilt, der die "Ausnahmen" zur Regel werden ließ. Obwohl keiner der Antragsteller zwingende religiöse Vorschriften nachweisen konnte (die bekanntlich laut Urteil "substantiiert und nachvollziehbar" zu belegen sind) und es durchweg an der erforderlichen Sachkunde und Erfahrung der moslemischen Schächter fehlte, ging die Zahl der genehmigten Schächtungen in die Tausende. Die fehlende Rückendeckung seitens des Ministeriums, im Sinne des Urteils die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung genau zu prüfen, wurde von Veterinären mehrfach beklagt. Mangels ausreichender personeller Ausstattung der Veterinärämter konnten die vorgeschriebenen Kontrollen der Schächtvorgänge nur punktuell erfolgen. Überdies wird vor allem in Schäfereien illegal geschächtet, weil dort gar keine Kontrollen stattfinden.

Auch aufgrund von Berichten aus anderen Bundesländern drängt sich der Eindruck auf, dass durch verfälschende Darstellung und oktroyierende Falschinterpretation die Rechtssituation nach Belieben ausgelegt wurde, um willfährig Ausnahmegenehmigungen erteilen zu können und so lästigen Diskussionen und Unannehmlichkeiten mit Moslems aus dem Wege zu gehen.

Jahrzehntelange, weitgehend erfolgreiche Aufklärung seitens der Veterinäre über die religionskonforme Betäubung vor dem Schächtschnitt wurde zunichte.

Es wurde die Überzeugung geäußert, dass es eher der Tierschutz-Lobby über die politische Schiene und die Medien gelingen werde, die ministeriellen Vorgaben im Sinne des Tierschutzes und der Durchsetzung des Tierschutzgesetzes zu ändern.

Was die Anwendung des Karlsruher Urteils betrifft, so ist festzuhalten, dass von den Anhängern des rituellen Schlachtens keine einzige entsprechende Schriftstelle belegt worden ist, noch ist ein einziger Fall bekannt, in welchem der Verzehr von Fleisch eines nicht oder ohne Betäubung geschächteten Tieres Sanktionen für den Angehörigen der jeweiligen Religionsgemeinschaft nach sich gezogen hätte. Nirgendwo und von keinem Antragsteller wurden zwingende religiöse Vorschriften "substantiiert und nachvollziehbar" - wie bindend verlangt - nachgewiesen.

Auch eine ungestörte Berufsausübung, auf die das Gericht abhebt, ist nicht gefährdet, da der Schächt-Schlachtvorgang auch unter reversibler, d.h. das Tier nicht beschädigender, religionskonformer Elektrobetäubung vorgenommen werden kann, abgesehen davon, dass es in Deutschland den anerkannten Beruf eines Schächters gar nicht gibt.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Entscheidung konkreter Anträge den untergeordneten Instanzen überlassen und im Streitfall auf die Gerichte verwiesen. Letzteres gilt auch für den Fall der Überforderung der Veterinärämter.

PAKT ist zu dem Schluss gekommen, dass entsprechend den Entscheidungskriterien des obersten Gerichts keine Ausnahmegenehmigungen erteilt werden müssen.

In diesem Sinne liegt auch bereits ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22.04.2002 vor (Antragsteller versus Landrat des Kreises Lippe), in dem u.a. heißt: "Die vom Antragsteller eidesstattlich versicherte Angabe in der Antragsschrift, der Fleischverzehr setze zwingend eine betäubungslose Schächtung voraus, ist nicht auf begründende Ausführungen gestützt, sondern eine bloße Behauptung." Es mangele "an einer zureichenden Substantiierung des Vortrags." "Im Übrigen geht der Antragsteller auch nicht darauf ein, wie sich die behauptete Glaubensüberzeugung und das von ihm ausgeübte Schlachten nach vorheriger Betäubung sowie der Verzehr des so geschlachteten Fleisches zueinander verhalten."

Es gilt, die dringend notwendige bundeseinheitliche Durchführungs-Verordnung in diesem Sinne und aufgrund der neuen Verfassungslage zu formulieren und nicht zuzulassen, dass sich die Vorgänge im Februar d.J. (Opferfest) und ebenso danach auch "nur" teilweise wiederholen. Dies ist der Staat den ihm anvertrauten Tieren sowie der Rechtsstaatlichkeit schuldig.

 

Mit freundlichem Gruß
Edgar Guhde
Vors. PAKT e.V.

 

"Im Übrigen setzt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG voraus, dass im konkreten Fall Bedürfnissen von Angehörigen einer Religionsgemeinschaft zu entsprechen ist, denen zwingende Vorschriften dieser Gemeinschaft den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen. Dadurch, dass das Gesetz Ausnahmen vom Betäubungsgebot nur unter diesen Voraussetzungen zulässt, wird zwangsläufig die Zahl der in Betracht kommenden Ausnahmen verringert. ...

Mittelbar hat dies Konsequenzen auch für die Handhabung des weiteren Merkmals der 'zwingenden Vorschriften', die den Angehörigen der Gemeinschaft den Genuss vom Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen. Ob dieses Merkmal erfüllt ist, haben die Behörden und im Streitfall die Gerichte als Tatbestandsvoraussetzung für die begehrte Ausnahmegenehmigung zu prüfen und zu entscheiden."
(Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.01.2002)

 

 

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