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Rinderexporte nach Libyen – Chronik eines Skandals

Eine Dokumentation

Für das BMELV ist das Wohlergehen der Tiere ein wichtiges Anliegen (Webseite des BMELV)

Am 4. Juli 2009 verkündete Staatssekretär Dr. Müller vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) frohgemut als Erfolgsmeldung, dass aufgrund einer Vereinbarung der Veterinärdienste Deutschlands und Libyens Zucht- und Schlachtrinder in das islamische Land ausgeführt werden. Zahl und Zeitraum blieben im Dunkeln, sind auch nicht in der von PAKT angefordertern „Vereinbarung“ enthalten. Ein erstes Protestschreiben unsererseits an die Staatssekretäre Dr. Müller und Lindemann blieb unbeantwortet, ebenso die nachfolgenden Proteste an die parlamentarische Staatssekretärin Heinen sowie an den Abteilungsleiter Ministerialdirektor Kühnle und an Dr. Kluge vom „Referat Tierschutz“ des BMELV.
Schließlich schrieb MinDir Kühnle am 30. Juli ohne auf die von uns angesprochene schwerwiegende Problematik des zu erwartenden Schicksals in diesem islamischen Staat (Schächten!) einzugehen. Bezüglich des langen und die Vorschriften der Tiertransporte-Verordnung der EU weit überschreitenden Transports wurde paradoxerweise auf eben diese Verordnung verwiesen – die aber nur in deren Mitgiedsstaaten gilt!

Inzwischen hatten auch andere Tierschutzorganisationen beim BMELV protestiert. So teilten uns „Animals` Angels“ mit: „Auf unseren Protest haben wir eine windelweiche Antwort erhalten, mit der wir uns nicht zufriedengeben.“
Nach einem Protestbrief unsererseits an Bundesministerin Aigner traf in deren Stellvertretung ein kurzes Schreiben von Dr. Welzel vom 13. August vom sog. Tierschutzreferat des BMELV ein, worin eingeräumt wird: „Trotz aller Vorgaben und Kontrollen können Tiere beim Transport, insbesondere bei langen Beförderungen, besonderen Belastungen ausgesetzt sein. ... Inzwischen hat die EU-Kommission die Vorlage eines Vorschlags zur Änderung der Verordnung (EG)1/2005 angekündigt. Im Rahmen einer Überarbeitung der Verordnung sollen auch das Raumangebot und die Transportzeiten berücksichtigt werden. Selbstverständlich wird sich die Bundesregierung im Rahmen der anstehenden Verhandlungen in Brüssel für weitere Verbesserungen des Tierschutzes beim Transport einsetzen. Dabei wird auch angestrebt, lange Schlachttiertransporte zu vermeiden.“

Soviel zur Qualität der Tiertransporte-Verordnung der EU, auf die beschwichtigend - siehe oben - hingewiesen wurde. Die Bundesregierung wolle lange Schlachttiertransporte vermeiden und beschließt zeitgleich mit diesem Schreiben eben solche Transporte!

Ein weiteres ausführliches Schreiben an den MinDir Kühnle vom 5. August blieb ohne Antwort, was uns zu einem neuen Schreiben am 16. August veranlasste:
„Wir nehmen noch einmal Bezug auf unser Schreiben vom 05. August d.J. Möglicherweise waren unsere darin enthaltenen Fragen nicht deutlich genug, sodass eine Antwort Ihrerseits bisher ausblieb. Unsere Fragen lauten: Wieviele Rinder sollen in welchem Zeitraum in wieviel Transporten nach Libyen exportiert werden? Wie hoch sind die Exporterstattungen für die Zuchtrinder? Welche wirksamen Kontrollen der Transporte gibt es sowohl während der LKW- bzw. Bahnfahrten und der Schiffstransporte sowie während des Ausladens in Libyen? Ist dem BMELV bewusst, dass der Export von Rindern in dieses islamische Land letztlich das Schächten dieser Tiere bedeutet und dass das betäubungslose Schächten bei Rindern besonders grausam verläuft, dass sich somit das BMELV der Beihilfe zu dieser barbarischen Abschlachterei schuldig macht? Haben die Verhandlungen mit der libyschen Seite zu dem Ergebnis geführt, dass beim Schächten die Elektrokurzzeitbetäubung bei Anwesenheit deutscher Kontrolleure angewendet wird? Falls nicht: Wird das mit Sicherheit dazu führen, dass keine lebenden Tiere nach Libyen verfrachtet werden?
Wir erwarten in dieser dringenden und äußerst ernsten und beunruhigenden Sache Ihre baldige und konkrete Antwort auf die gestellten Fragen.“

Ein weiterer Brief an Frau Aigner (mit 7 Anlagen der bisherigen Korrespondenz) am 31. August schilderte die bisherigen ausweichenden und nichtssagenden „Antworten“, soweit solche überhaupt eintrafen. Darin heißt es abschließend: „Somit ist festzustellen, dass in einer so wichtigen Angelegenheit, bei der es um das Schicksal unzähliger Rinder geht, auf besorgte kritische Nachfragen entweder garnicht oder neben der Sache liegend geantwortet wird. Ein Problem, das nicht nur den Unterzeichner betrifft, sondern ebenso andere Bürger und Organisationen. Wir wissen noch immer nicht, wie es im einzelnen um diese „Vereinbarung“ mit Libyen steht, ob sich ggf. inzwischen Modifizierungen ergeben haben. Vor allem stellt sich die Frage, warum Ihr dem Tierschutz verpflichtetes Ministerium überhaupt solche Transporte vereinbaren konnte, die in so krasser Weise gegen das Tierschutzgesetz verstoßen“.

Antwort: Keine.

Schließlich traf Anfang September ein Schreiben des besagten Herrn Kühnle auf unser Schreiben vom 16. August ein, das wir hier mit unseren jeweils hervorgehobenen Antworten vom 14. September wiedergeben:

„Sehr geehrter Herr Kühnle,

auf Ihr obengenanntes Schreiben müssen wir noch einmal zurückkommen, da unsere Fragen und Einwände nach wie vor größtenteils nicht geklärt worden sind:

Sie schreiben:

Lassen Sie mich zunächst deutlich machen, dass das BMELV keineswegs den Export von Schlachttieren in Drittländer fördert und auch keine Vereinbarung über Lieferungen solcher Tiere mit Libyen vereinbart hat.
Nicht direkt, aber indirekt, indem es eine Grundbedingung des Drittlandes, in diesem Falle Libyen, erfüllte und damit den Exporteuren den Export überhaupt erst ermöglichte. Herangetreten an das BMELV sind vermutlich die Exporteure oder deren Dachverband oder sogar der Bauernverband.

Nach Auffassung des BMELV sollte der Transport von Schlachttieren über große Entfernungen weitestmöglich vermieden werden.
Diese Formulierung entspricht einer grundsätzlichen Bejahung. Wenn das BMELV den in die Verfassung aufgenommenen Tierschutz sowie das in der Webseite des BMELV stehende Bekenntnis „Für das BMELV ist das Wohlergehen der Tiere ein wichtiges Anliegen“ wirklich ernst nehmen würde, dann müsste der Satz lauten: Nach Auffassung des BMELV ist der Transport von Schlachttieren über große Entfernungen zu unterbinden. Sie kennen auch sicherlich die berechtigte Forderung der Tierschutzorganisationen, Tiertransporte auf maximal 4 bzw. 8 Stunden zu begrenzen.

Die nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften enthalten jedoch nicht die Möglichkeit, Schlachttiertransporte in Drittländer zu verbieten.
Sie gebieten aber auch nicht die Schlachttierexporte in Drittländer; man ist nicht zum Export gezwungen. Wer hat denn den Export initiiert?

Darüber hinaus ist die Ausfuhr von Tieren nicht grundsätzlich an eine zwischen dem deutschen Veterinärdienst bzw. der EU-Kommission und dem Veterinärdienst des Drittlandes abgestimmte Veterinärbescheinigung gebunden. Es können z. B. auch Veterinärbescheinigungen zwischen Handelspartnern abgestimmt werden, sofern die zuständigen Behörden des Drittlandes mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden sind.
Ah ja, und das waren die Behörden von Libyen wahrscheinlich nicht (evtl. immer noch wegen BSE – sind Libyen eigentlich die zwei Fälle 09 bekannt?). Die Bedingungen stellt also das Drittland (nun ja, die Exporteure erhalten ja das Geld).

Eine zwischen den Veterinärdiensten ausgehandelte Veterinärbescheinigung hat aber den Vorteil, dass die Bedingungen für alle deutschen Wirtschaftsbeteiligten gleich sind und zwischen den Veterinärdiensten ein Dialog entsteht, in dem auch tierschutzrelevante Themen diskutiert werden können.

  • die Grundbedingung des Drittlandes wurde erfüllt
  • alle Exporteure in Deutschland haben sich daran zu erhalten; Erleichterung für Libyen
  • der Vorteil des Dialogs über tierschutzrelevante Themen ist letztlich irrelevant, weil sich daraus keine zwingenden Vorschriften für das Drittland (hier Libyen) ergeben.

Fazit: Deutschland (vertreten durch das BMELV) begibt sich aller Rechte, damit der Gewinn der Exporteure gesichert ist, dessen Voraussetzung wiederum die Erfüllung aller Bedingungen des Drittlandes (hier Libyen) ist. Im übrigen übernimmt aus der Sicht Libyens Deutschland durch die generell abgestimmte und für alle Exporteure maßgebliche Veterinärbescheinigung die Gesamtverantwortung insb. im Blick auf die Tiergesundheit.

So wurden am 3. Juli 2009 durch den deutschen und den libyschen Veterinärdienst die Veterinärbescheinigungen für die Ausfuhr von Zuchtrindern sowie von Schlachtrindern aus Deutschland nach Libyen abgestimmt.
War das Datum eigentlich das Ende eines vorausgegangenen Prozesses, oder hat man das tatsächlich an einem Tag geschafft?

Dass heißt, es wurden die libyschen veterinärrechtlichen Einfuhrbestimmungen in Bescheinigungen zusammengefasst, die jeder deutsche Exporteur einzuhalten hat und die durch die jeweiligen Amtstierärzte zu unterzeichnen sind. Dabei spielt der allgemeine Gesundheitszustand der Tiere eine wesentliche Rolle. Darüber hinaus wurde eine Protokollerklärung über eine Zusammenarbeit im Bereich der Tiergesundheit unterzeichnet. Diese Erklärung schließt den Tierschutz auf der Grundlage der Kriterien der Weltorganisation für Tiergesundheit (O.I.E.) ein.
Das heißt, es wurde eine grundsätzliche Bedingung Libyens für den Export erfüllt, indem eine für alle deutschen Exporteure gültige Einheitsbescheinigung ausgestellt wurde, die nur noch von den jeweiligen Amtstierärzten im Blick auf die Gesundheit des Einzeltieres zu unterzeichnen ist. Die Verantwortung für die grundsätzliche Tiergesundheit (z. B. BSE) liegt bei Deutschland, vertreten durch das BMELV. Die erwähnte unterzeichnete Protokollerklärung kann bei Libyen getrost vergessen werden, Libyen hält sich weder an Verträge noch Protokolle (s. nur Beispiel Schweiz). Außerdem dürfte das Protokoll nicht einmal das in Deutschland grundsätzlich verbotene betäubungslose Schächten auch nur ansprechen, weil es weder nach dem deutschen TierSchG noch nach der deutschen Staatszielbestimmung Tierschutz sondern nach den Kriterien der O.I.E. verfasst wurde. Die Frage, ob das nach den Gepflogenheiten in Libyen überhaupt einer deutschen Behörde - schon verfassungsrechtlich gesehen - erlaubt ist, hat sich das BMELV überhaupt nicht gestellt. Somit hat es die deutschen Rinder, egal ob Zucht- oder Schlachtrinder, im Stich gelassen, sie werden letztlich alle in Libyen betäubungslos geschächtet, egal wo und egal wie. Das ist die bittere Konsequenz für unsere Tiere, mal ganz abgesehen von dem langen und besonders für die Schlachttiere qualvollen Transport, an dessen Ende für sie sofort das betäubungslose Schächten steht, welches für Rinder noch länger und schmerzhafter verläuft als bei Schafen.

Alle Tiertransporte nach Libyen unterliegen bis zum Verladen der Tiere auf ein von einem Mitgliedstaat zugelassenes und kontrolliertes Transportschiff den gemeinschaftlichen bzw.nationalen Regelungen und werden von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten überwacht. Dies habe ich in meinem Schreiben vom 3. 7. 2009 bereits dargelegt.
Aber ja doch. Ab Verladung auf das Transportschiff sind sie dann „vogelfrei“, dies gilt insbesondere für die Schlachttiere (s. dazu weiter unten).

Für die Ausfuhr von Zuchtrindern (Lebendgewicht von 250 kg oder mehr bis zu einem Alter von 30 Monaten) werden Ausfuhrerstattungen gewährt, deren Zahlung von der Einhaltung der gemeinschaftlichen Tierschutzvorschriften und der Vorschriften zum Schutz von Tieren beim Transport bis zum Bestimmungsort abhängig gemacht wird. Nach Verlassen des Zollgebietes der Gemeinschaft werden Kontrollen grundsätzlich an jedem Ort, an dem das Transportmittel gewechselt wird und am Ort der ersten Entladung im Bestimmungsdrittland von einem Tierarzt, der die dafür erforderliche Befähigung besitzt, durchgeführt. Die Exporterstattungen für Zuchtfärsen und Zuchtkühe betragen 25,9 € je 100 kg Lebendgewicht.
Die Unterscheidung bei dem Schutz von Schlachtrindern (nur bis aufs Schiff) und Zuchtrindern (bis ins Bestimmungsdrittland) ist besonders widerwärtig und menschenunwürdig! Schlachttiere sind nicht weniger empfindlich als Zuchttiere.
Die Kosten für den besonderen Schutz der Zuchtrinder trägt im übrigen der deutsche Steuerzahler, der aber in keinerlei Entscheidungen mit eingebunden ist. Der besonders befähigte Tierarzt dürfte übrigens Libyer sein; denn das lässt sich das Drittland, dem ja alle Rechte an den Tieren gehören, gewiss nicht nehmen.

Ich möchte abschließend noch einmal darauf hinweisen, dass das BMELV dafür eintritt, den Transport lebender Schlachtrinder durch Fleischtransporte zu ersetzen. Ein grundsätzliches Verbot von Tiertransporten, etwa von Schlachtvieh, ist nach der geltenden Rechtslage aber nicht möglich.
Daraus folgt aber nicht, dass man exportieren muss! Wenn es auch kein generelles Verbot gibt, so hätte aber in diesem konkreten Fall das BMELV die Möglichkeit und die Pflicht gehabt, aus Tierschutzgründen den Export zu unterbinden.

Ungeachtet dessen wirkt das BMELV im Rahmen seiner Zuständigkeit auf die Einhaltung der Tierschutznormen hin. Gleichzeitig ist es ein ständiges Bestreben des BMELV, im Verbund mit Ländern und Verbänden bei der Fortentwicklung von Tierschutznormen in der EU und im internationalen Bereich aktiv mitzuarbeiten und das nationale Recht an wissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche Erfordernisse anzupassen.
Natürlich, das BMELV tut praktisch alles für die Tiere, nur besteht es nicht auf Fleischtransporten, ermöglicht erst Schlachttiertransporte nach den speziellen Wünschen des Drittlandes und hält sich nicht an die gesellschaftlichen Erfordernisse in Deutschland (Staatsziel Tierschutz im GG), und dies bei einem solchen Staat wie Libyen!

Zusammenfassend:
Alle Rechte liegen beim Drittland, hier Libyen, dessen Forderungen ganz spezieller Art waren und auf die voll eingegangen wurde, um den Export der Schlacht- und Zuchtrinder erst zu ermöglichen. Der geldwerte Vorteil liegt bei den Exporteuren, sei es beim Gewinn oder bei der Erstattung der Kosten für den besonderen Schutz der Zuchtrinder bis ins Drittbestimmungsland. Die Nachteile liegen bei den Tieren (leider!) und bei Deutschland bzw. dem Steuerzahler (Exporterstattungen und Befriedigung eventueller Regressforderungen Libyens, falls eben doch dort BSE auftritt). Deutschland ist eben nicht BSE-frei, das zeigen die zwei Fälle, die 2009 in Deutschland aufgetreten sind (niemand kann die Dunkelziffer kennen, das zeigt schon die völlige Symptomfreiheit bei dem Rind in HH).
Das deutsche Tierschutzgesetz und das Staatsziel Tierschutz im GG werden nicht beachtet, nicht einmal bei der Diskussion und Abfassung des Protokolls nach den Vorschriften der O.I.E. Das kann man schon daraus ersehen, dass auf die Schächtproblematik in den Antwortbriefen an uns überhaupt nicht eingegangen wird. Im übrigen verlässt man sich auf ein „Protokoll“ bei einem völlig unzuverlässigen Staat.
Das BMELV tut alles für die Rinder, nur nicht das, was es eigentlich tun müsste! Und die Unterscheidung zwischen Schlachtrindern und Zuchtrindern beim Schutz auf dem Transport ist menschenunwürdig!

Mit freundlichem Gruß

Edgar Guhde

N.B: Wir bitten noch um Zusendung der zwischen den Veterinärdiensten der beiden Staaten getroffenen Vereinbarung, und zwar gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes“.

Auch hierauf keinerlei Reaktion des Ministerialdirektors.

Tierschutz in Deutschland ...

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