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Tierschutz im Unterricht

 

Idee – Durchführung – Begründung

 

Die Idee

Im Jahre 2004 rief der Verein Ärzte gegen Tierversuche e.V. sein Projekt „Tierschutz in der Schule“ ins Leben. Auslöser dafür, Jugendarbeit durchzuführen, waren hunderte verzweifelte Zuschriften von Kindern, die – teilweise nicht einmal 10 Jahre alt – von Tierversuchen erfahren hatten und entsetzt waren. Dass Menschen wehrlosen Tieren bewusst schwere Leiden zufügen, war für viele von ihnen unbegreiflich. Viele fragten, was sie tun könnten, damit das aufhört (Zitat: „Das ist wirklich Folter! Tiere sind Lebewesen wie wir, und nur weil sie nicht sprechen können, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht fühlen können! Ich würde sehr gerne aktiv gegen Tierversuche vorgehen. Können Kinder helfen?“).

 

Manche Kinder waren selbst schon im Klassenverband durch ein Labor geschleust worden und hatten danach durch eigene Recherche in Erfahrung gebracht, dass doch nicht alles so harmlos ist, wie ihnen die Tierexperimentatoren dort erzählt hatten. (Zitat: „Der Mann hat erzählt, dass dort artgerechte Versuche mit den Tieren gemacht werden. Und die Tiere würden auch nicht gequält werden, weil sich alle mit ihnen auskennen, das dürfte sonst nicht gemacht werden.“)

 

Viele Kinder und Jugendliche fühlen sich allein gelassen und finden keine Ansprechpartner, mit denen sie über ihr Mitgefühl, ihre Wut oder Trauer und darüber, warum sie Tierversuche für ungerecht halten, sprechen können. Ärzte gegen Tierversuche sind der Ansicht, dass wir Erwachsenen sensible, mitfühlende und kritische Kinder und Jugendliche mit ihrem Wissen um das Leid, welches Tieren angetan wird, nicht allein lassen dürfen. Vielmehr sollten wir mit ihnen sprechen, ihnen helfen, die furchtbaren Dinge, die Tiere erleiden müssen, zu verarbeiten und ihnen Perspektiven aufzeigen.

 

Das Konzept der Jugendarbeit von Ärzte gegen Tierversuche wurde mit Hilfe einer Kinderpädagogin, von Lehrerinnen und Lehrern, Ärzten und Tierärztinnen gemeinsam entwickelt. Tierschutzlehrerseminare und Anregungen anderer karitativer Organisationen, die Jugendbildungsarbeit leisten, bereiteten die Mitarbeiterinnen des Vereins auf ihre Arbeit in der Schule vor. Die Informations- und Diskussionsveranstaltungen, bei denen sich Schülerinnen und Schülern auch selbst einbringen können, wurden sehr gut angenommen. Seit mehreren Jahren beteiligt sich der Verein auch erfolgreich an Ferienspielprojekten.

 

Durchführung der Veranstaltungen

 

Unsere Tierschutzlehrerinnen haben entsprechende Ausbildungen absolviert und arbeiten seit vielen Jahren in Schulen zum Thema "Tierschutz" mit Schwerpunkt "Tierversuche".

Je nach Altersstufe und Zeitvorgabe kommen während der Besuche unterschiedliche Medien, Methoden und Sozialformen zum Einsatz. Interaktive Vorträge und Filmsequenzen wechseln mit Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit ab. Schülerinnen und Schüler können Bilder malen, sich Geschichten oder Gedichte ausdenken, Podiumsdiskussionen oder Rollenspiele inszenieren oder die von den Tierschutzlehrerinnen mitgebrachten Handpuppen ausprobieren.

 

Je nach Fahrtstrecke und Interesse werden zweistündige bis mehrtägige Termine ab der fünften Klasse angeboten. Die Gestaltung der Schulbesuche erfolgt individuell nach Absprache mit den Lehrerinnen und Lehrern und in Abhängigkeit von Vorkenntnissen, möglicher Nachbearbeitung, Altersstufe, Unterrichtsfach etc. Die Internetpräsens www.Harry-hilft-Tieren.de ist zur Unterstützung des Projektes und als selbstständige Informationsplattform für diejenigen Schülerinnen und Schüler gedacht, die nicht persönlich besucht werden. Mittelfristig werden in der Rubrik „Schule und Tierschutz“ Unterrichtsmaterialien für Lehrerinnen und Lehrer erscheinen.

 

Während der Veranstaltungen beschäftigen Schülerinnen und Schüler sich z.B. mit Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen Menschen und Tieren, mit den Gründen und Anlässen aus denen Tierversuche durchgeführt werden, sowie mit den Pro- und Contrapositionen dazu. Sie überlegen, ob die Entdeckung und Testung eines neuen Medikaments im Tierversuch beweist, dass der Tierversuch der einzig mögliche, schnellste und am besten verträgliche Beitrag zum Wohlergehen von Menschen ist. Das Thema wirft vielfältige Fragestellungen auf. Je nach Altersstufe werden unterschiedliche tierversuchsfreie Methoden angesprochen. Die Vermeidbarkeit vieler Krankheiten z. B. durch gesunde Ernährung und Nichtrauchen ist ein ebenso wichtiges Thema. Es wird auch darüber diskutiert, in wie weit ein Lebewesen sich von uns unterscheiden muss, damit wir glauben, dass wir ihm Leiden zufügen dürfen, wenn wir uns einen Nutzen davon erhoffen. Statt den Schülerinnen und Schülern eine Meinung aufzuoktroyieren, fußt das Konzept auf dem Prinzip, alte Gewohnheiten kritisch zu beleuchten und interessengeleitete Behauptungen, wie zum Beispiel, dass Tierversuche sein müssen und sein dürfen, nicht einfach als Tatsachen zu akzeptieren, sondern nach Beweisen zu fragen.

 

Ein unverzichtbarer Aspekt ist ein Gespräch darüber, dass wir uns nicht mit quälenden Gedanken und Bildern zermürben müssen, um etwas für die Tiere in den Laboren tun zu können. Mit anderen Tierfreunden zusammen aktiv zu werden, gibt vielen Menschen Mut und Zuversicht und begründet häufig interessante und lebenslange, belastbare Freundschaften. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können selbst kreative Ideen einbringen und, wenn sie möchten, auch gleich mit eigenen Aktivitäten zur Tat schreiten.

 

Begründung

 

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), welche Tierversuche umfangreich mit Steuermitteln fördert, verteilt aufwendig gestaltete Werbematerialien für Tierversuche ohne Mengenbegrenzung an Schulen. Die Tierversuchsproblematik wird Schülerinnen und Schülern zusätzlich durch Werbekampagnen der Chemie- und Pharmakonzerne nahe gebracht. In Städten, in denen sich Tierversuchslabore befinden, besuchen Schulklassen Veranstaltungen und Führungen dieser Institute, wobei das Thema Tierversuche im Interesse des entsprechenden Institutes abgehandelt wird. Dabei wird sinngemäß formuliert: „Ohne Tierversuche müssen Menschen sterben“, „Tierversuche, bei denen die Tiere leiden, sind verboten“ usw..

 

Häufig wird bei solchen Gelegenheiten auch behauptet, Tierversuche würden die Tiere nicht quälen, wenn man sich an bestehende Gesetze hält. Diese Auffassung wurde anlässlich eines Presseempfanges auch von Schülern geäußert, die mehrere Monate mit Tierexperimentatoren an den Herzen geköpfter Rattensäuglinge herumexperimentiert hatten (Projekt „Herzschlag“, Hannover). Das Tierschutzgesetz erlaubt das Zufügen extremster Leiden, sofern der Experimentator sich davon eine ihm wichtig erscheinende Erkenntnis verspricht. Insofern schließt Gesetzestreue die Qual der Tiere keineswegs aus. Diese Tatsache wird Schülerinnen und Schülern von Tierversuchsbefürwortern nicht bewusst gemacht.

 

Tierversuche sind in Deutschland sogar für nichtmedizinische Zwecke erlaubt, so z.B. in der Grundlagenforschung, im Rahmen der Handyforschung oder wenn riskante Unkrautvernichtungsmittel vermarktet werden sollen. Im Bereich der medizinischen Forschung wurde nie untersucht, ob Tierversuche mehr schaden oder mehr nützen. Schülerinnen und Schüler sollten darüber informiert werden, dass Erfolg, Misserfolg und Schaden von Tierversuchen weder veröffentlicht noch überprüft werden, dass sie in keiner Datenbank einsehbar sind und nicht bekannt gemacht wird, in welcher Höhe der Steuerzahler sie finanziert. Tierversuchsfreie Methoden müssen vielfältige Hürden überwinden, bevor sie anerkannt werden – Hürden, die der Methode „Tierversuch“ nicht in den Weg gestellt wurden. Diese Fakten kommen bei Führungen durch Tierversuchslabore und auch in Schulbüchern nicht zur Sprache. Deshalb ist die kritische Information durch vom Tierversuch unabhängige Personen so wichtig, wenn man Kindern und Jugendlichen die Chance geben will, sich eine eigene Meinung zu bilden.

 

Die Kritik am Tierversuch nimmt rasant zu. Studien beweisen Gefahren und Misserfolge, werden der breiten Öffentlichkeit allerdings nicht zugänglich gemacht. Meldungen über Steuerverschwendung, sinnlose Versuche und brutale Übergriffe in Laboren reißen nicht ab. Das im Tierversuch als unschädlich getestete TGN1412 rief bei menschlichen Probanden multiples Organversagen hervor. Viele schädliche Wirkungen von im Tierversuch entwickelten Präparaten werden nicht bekannt. Nahezu 60.000 Menschen sterben jährlich allein in Deutschland an den Nebenwirkungen von Medikamenten. Trotz allem wird im Zusammenhang mit Tierversuchen bislang jegliche Transparenz verhindert.

 

In einem demokratischen Staatswesen sollte eine objektive Auseinandersetzung mit einem so wesentlichen Thema wie dem Tierversuch auch in der Schule gewährleistet sein. Der Verein Ärzte gegen Tierversuche e.V. ist der Ansicht, dass angesichts der geschilderten Tatsachen Schülerinnen und Schüler ein Recht darauf haben, eine Sicht auf Tierversuche kennen zu lernen, die nicht durch Eigeninteressen von Tierexperimentatoren geprägt ist. Natürlich ist langfristig zu wünschen, dass die umfassende und objektive Darstellung der Tierversuchsproblematik auch in die schuleigenen Materialien Eingang findet. Solange dies allerdings nicht gewährleistet ist, besteht ein dringendes Bedürfnis nach Informationen durch vom Tierleid unabhängige Institutionen.

 

Die Lernenden sollen zu mündigem Denken und Verhalten angeleitet werden. Nur wer objektiv informiert wird, kann sich eine eigene Meinung bilden und verantwortlich handeln. Das Grundgesetz schützt in Art. 20 a: „…auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere…“ Auch das Tierschutzgesetz spricht von einer Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf. Er soll dessen Leben und Wohlbefinden schützen. Das Schulgesetz NRW besagt in § 2, Absatz 2: „…Die Jugend soll erzogen werden im Geiste der Menschlichkeit , …zur Verantwortung für Tiere…“. Erfreulich ist, dass sich zunehmend kritische Lehrer mit der Bitte um Material und Beratung an Ärzte gegen Tierversuche wenden. Altersgerechte Tierschutzinformationen zum Thema „Tierversuche“ sind, im Gegensatz zu solchen über Massentierhaltung und andere Themen, zurzeit noch kaum verfügbar. Der Verein unterstützt Interessierte gerne in Form von entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen, Vorträgen und Beratungen.

 

Die Gewalt- und Aggressionsforschung zeigt, dass zwischen Gewalt gegen Tiere und Gewalt gegen Menschen ein untrennbarer Zusammenhang besteht. Über die sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Tierversuche“ hinaus hat Tierschutzunterricht deshalb einen weiteren wichtigen Effekt: Er führt Kinder zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Wesen, die anders sind als sie selbst. Er fördert Empathie, wirkt Gewalttendenzen entgegen und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zum sozialen Lernen. Schule, die Kinder zu eigenverantwortlichen und moralischen Persönlichkeiten erziehen will, muss ihnen auch die Chance eröffnen, Ungerechtigkeiten erkennen und für Schwächere eintreten zu können. Durch die Vermittlung von Achtsamkeit, Respekt und Mitgefühl schaffen wir die Voraussetzungen für eine lebenswerte Welt für Mensch und Tier

Harry hilft Tieren ist ein Projekt von Ärzte gegen Tierversuche e.V.